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From uwe@netcom.com Wed Aug 30 15:56:03 EDT 2000
Article: 5021 of de.rec.sport.inlineskating
Path: mindspring!firehose.mindspring.com!not-for-mail
From: uwe@netcom.com (Uwe Brockmann)
Newsgroups: de.soc.verkehr,de.rec.sport.inlineskating
Subject: Re: Status von Inline-Skatern im Strassenverkehr
Date: 30 Aug 2000 12:54:16 GMT
Organization: Mindspring/Netcom Online Services, Inc.
Lines: 195
Message-ID: <8oj05o$7f3$1@nntp9.atl.mindspring.net>
References: <v74ho8.qh1.ln@pinguin.salesianer.de> <39AC3F16.79829E42@rtge.de> <8oidbd$9p$1@nntp9.atl.mindspring.net> <jmfio8.ru.ln@pinguin.salesianer.de>
Reply-To: uwe@netcom.com
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X-Newsreader: trn 4.0-test72-NUGLOPS (19 April 1999)
Xref: mindspring de.soc.verkehr:116003 de.rec.sport.inlineskating:5021

In article <jmfio8.ru.ln@pinguin.salesianer.de>
Hatto von Hatzfeld  <hatto@salesianer.de> wrote:
>Könntest Du mal andeuten, welche Verbesserungen der Bremswirkung bei
>Inlinerollschuhen aka -skates Du da meinst?

Die einzigen mir bekannten zuverlaessigen und wirkungsvollen
Rollschuhbremsen sind die Fersenbremsen (rear brakes, heel brakes),
die aus einem hinten am Rollschuh angebrachten Bremsklotz bestehen.
Zum Bremsen mit diesen Bremsen fuehrt man einen Fuss, den Bremsfuss,
etwas vor den anderen Fuss und hebt den vorderen Teil des Bremsfusses
an. Dadurch werden bei einem Inlinerollschuh alle Rollen ausser der
hintersten angehoben. Wenn man den Fuss vorne ausreichend anhebt
beruehrt der Bremsklotz (Stopper) schliesslich den Boden und bremst
durch schleifen auf dem Boden. Bei konventionellen Rollschuhen
funktionieren Fersenbremsen genauso. Allerdings bleiben beide an der
hintersten Achse angebrachten Rollen in Bodenkontakt.

Bei dieser Bremsmethode befindet sich ein Teil des Gewichts des
Rollschuhlaeufers auf dem Bremsklotz, ein Teil auf der (den) hintersten
Rolle(n) des Bremsfusses und der Rest auf den Rollen des anderen Fusses.
Nur der Teil des Gewichtes, der auf dem Bremsklotz lagert traegt zur
Bremswirkung bei. Im unguenstigsten Fall lagert ueberhaupt kein Gewicht
auf dem Bremsklotz. Dann ist die Bremsverzoegerung gleich Null. Im
guenstigsten, in der Praxis nicht erreichbaren, Fall lagert das gesamte
Gewicht auf dem Bremsklotz. Unter der Annahme dass das Material des
Bremsklotzes etwa den gleichen Gleitreibungskoeffizienten hat wie
Autoreifen waere die theoretische maximale Bremswirkung gleich der eines
Autos, bei dem alle Raeder blockiert sind.

In der Praxis gelingt es den meisten Rollschuhlaeufern nur einen
geringen Teil ihres Gewichts auf den Bremsklotz zu verlagern. (Dies
liegt daran, dass die Muskulator, die zum Heben des Vorfusses eingesetzt
wird relativ schwach ist. Beim Gehen, Laufen und Springen braucht diese
Muskulator lediglich das Gewicht des Fusses anzuheben. Dahingegen ist
die Muskulator fuer die entgegengesetzte Bewegung, das Abdruecken mit
dem Fuss, darauf ausgelegt, das gesamte Koerpergewicht anzuheben und
deshalb wesentlich kraeftiger.)

Alle vier mir bekannten Methoden zur Verbesserung der Bremswirkung
der Fersenbremsen beruhen auf einer verstaerkten Verlagerung des
Koerpergewichtes des Rollschuhlaeufers auf den Bremsklotz:

(1) Verlagerung der hintersten Rolle und des Bremsklotzes nach vorne

Bei manchen Rollschuhen ist es moeglich, die Position, in der der
Schuh auf dem Rollschuhgestell montiert ist, nach vorne oder hinten zu
veraendern. Verschiebt man das Rollschuhgestell weiter nach vorne, so
steht man beim Bremsen gewissermassen auf einem laengeren Hebel und kann
deshalb mehr Gewicht auf den Bremsklotz verlagern.

Der Nachteil dieser Methode bei Inlinerollschuhen ist es, dass
die Fahreigenschaften des Rollschuhs, bei Verschiebung des
Rollschuhgestelles nach vorne (relativ zum Schuh) leiden. Deshalb
verwende ich diese Methode bei Inlinerollschuhen nicht. Bei
konventionellen Rollschuhen kann man die hinterste Achse des
Rollschuhs und den Bremsklotz viel weiter nach vorne verlagern als bei
Inlinerollschuhen ohne dass die Fahreigenschaften im gleichen Masse
leiden. Deshalb ist diese Methode der Bremskraftverstaerkung fuer
konventionelle Rollschuhe gut geeignet. Dies erklaert auch, warum ich
lange zoegerte, mich auf Inlinerollschuhe umzustellen.

Will man bei Inlinerollschuhen die Zentrierung des Rollschuhgestelles
beibehalten und trotzdem mit dieser Methode die Bremswirkung erhoehen,
so muss man ein Gestell mit einem kuerzeren Radstand (Distanz vom
Zentrum der vordersten Achse zum Zentrum der hintersten Achse)
verwenden. D.h. insbesondere dass man anstatt von fuenfraedrigen
Rollschuhen vierraedrigere Rollschuhe verwenden sollte. Dies ist fuer
viele Rollschuhlaeufer, mich eingeschlossen, nicht akzeptabel, da
vierraedrige Inlinerollschuhe langsamer sind als fuenfraedrige.

(2) Druckausuebung auf den hinteren Schaft

Die Schuhe mancher Inlinerollschuhe haben einen wenig
flexiblen steifen Plastikschaft. Dies duerfte bei den
meisten Hartschaleninlinerollschuhen der Fall sein. (Die
Hartschaleninlinerollschuhe werden jedoch zunehmend durch bequemere
Softbootinlinerollschuhe vom Markt verdraengt.)

Bei diesen Rollschuhen kann man beim Bremsen mit dem Bein hinten gegen
den Schaft druecken. Dadurch wird mehr Gewicht auf den Bremsklotz
verlagert ohne dass die schwachen Fussanhebemuskeln staerker belastet
werden. Diese Methode ist z.B. bei vierraedrigen Rollerblade Lightning
Rollschuhen und sogar bei fuenfraedrigen Rollerblade Racerblade
Rollschuhen wirkungsvoll.

Ich verwende diese Methode bei allen meinen Inlinerollschuhen,
bei denen sie angewendet werden kann. Sie kann aber bei vielen
Rollschuhen, insbesondere bei fuenfraedrigen Rennrollschuhen mit
niedrigen Lederschuhen, nicht angewendet werden.

Offensichtlich waere es fuer Rollschuhhersteller moeglich, diese
Methode der Bremskraftverstaerkung durch konstruktive Massnahmen zu
beguenstigen. Auch bei Softboots liessen sich prinzipiell hinten am
Rollschuh Verstaerkungen anbringen, ohne dass der grundsaetzliche
Softbootcharakter der Schuhe verloren ginge.

(3) Verwendung von zwei Fersenbremsen

Die meisten vierraedrigen Inlinerollschuhe werden mit nur einer
Fersenbremse geliefert. (Rollerblade bot einmal Rollschuhe in
Kindergroessen an, die mit zwei Fersenbremsen ausgestattet waren.)
Die Fersenbremse laesst sich meist entweder am linken oder am rechten
Rollschuh anbringen und ist auch als Ersatzteil erhaeltlich. Man kann
sich deshalb eine zweite Fersenbremse kaufen und an beiden Rollschuhen
eine Fersenbremse anbringen.

In der Praxis fuehrt die gleichzeitige Verwendung von zwei Fersenbremsen
zu einer verblueffenden Vergroesserung der Bremswirkung.  Dies laesst
sich dadurch erklaeren, dass durch gleichzeitige Verwendung der
schwachen Fussanhebemuskeln in beiden Fuessen die zum Verschieben des
Koerpergewichts auf die Bremskloetze eingesetzte Muskelkraft verdoppelt
wird.  Damit wird auch das auf den Bremskloetzen lagernde Gewicht und
somit die Bremswirkung verdoppelt.

Ich verwende diese Bremsmethode, die in den USA vereinzelt als "Wile E.
Coyote stop" (siehe Bugs Bunny/Roadrunner Zeichentrickfilme) bezeichnet
wird, bei all meinen Inlinerollschuhen.

Meines Wissens ist diese Bremsmethode vielen Rollschuhlaeufern nicht
bekannt. Darueberhinaus sind viele Rollschuhlaeufer der Ansicht, dass es
schwierig ist, die Verwendung dieser Bremsmethode zu erlernen. Bisher
ist mir diese Ansicht jedoch nur bei Rollschuhlaeufern begegnet, die
die Verwendung dieser Bremsmethode noch nicht ausprobiert haben. Meine
eigene Erfahrung widerlegt diese Ansicht.

Ich sehe das Hauptproblem bei dieser Methode deshalb darin, Rollschuhlaeufer
zum Ausprobieren dieser Methode zu bewegen. Hat jemand eine Idee, wie
man Rollschuhlaeufer zum Ausprobieren dieser Methode bewegen kann?

Das einzige was man meines Wissens bei Verwendung dieser Methode
beachten muss ist, dass man nicht gleichzeitig den Bremsvorgang mit
beiden Bremsen einleiten sollte.  Stattdessen sollte man zunaechst erst
einmal nur den Bremsvorgang mit einer Bremse einleiten und erst nach dem
Einsetzen der Bremswirkung den zweiten Fuss nach vorne bringen und die
zweite Bremse hinzuziehen. Dadurch ist man zu jedem Zeitpunkt in einer
stabilen Position.

Eine Einschraenkung dieser Bremsmethode ist, dass sie fuer 5-raedrige
Rollschuhe, ebenso wie die Verwendung einer einzelnen Fersenbremse,
weniger geignet ist als fuer 4-raedrige Rollschuhe.

Ein grosser Vorteil dieser Methode ist es, dass die meisten Besitzer von
Fitnessrollschuhen, die erforderlichen Bauteile im Laden fertig und fuer
relativ wenig Geld kaufen koennen.

Meiner Ansicht nach sollten Rollschuhersteller es ernsthaft in Erwaegung
ziehen, alle Fitnessrollschuhe grundsaetzlich mit zwei Fersenbremsen zu
liefern.

(4) Bremsschnuere

Bei 5-raedrigen Rollschuhen reicht die Anwendung von zwei Fersenbremsen
alleine nicht aus, um gute Bremsverzoegerungen zu erzielen. Abhilfe
schafft eine Erfindung des aus Puerto Rico stammenden Amerikaners
Don Ruiz von vor ca. zehn Jahren, die er "Puerto Rican Emergency
Brake" (Puertorikanische Notbremse) nannte. (Don Ruiz gewann 1985
Athens-to-Atlanta auf konventionellen Rollschuhen.)

Meine verbesserte Version seiner Vorrichtung besteht aus vorne am
Rollschuhgestell angebrachten Schnueren, die zu einem unterhalb des
Knies befestigten Handgriff laufen. Zum Bremsen greift man den Handgriff
und lehnt sich zurueck. Die Schnuere ziehen den Rollschuh ebenso wie
die schwachen Fussanhebemuskeln vorne hoch und verlagern dadurch einen
Teil des Koerpergewichts auf den Bremsklotz. Der Unterschied liegt
hauptsaechlich darin, dass die Bremsschnuere wesentlich wirksamer sind
als die schwachen Fussanhebemuskeln.

Ich verwende Bremsschnuere ausschliesslich an meinen 5-raedrigen
Rollschuhen. Ich verwende beide Fersenbremsen und die Bremsschnuere
an beiden Rollschuhen gleichzeitig. Die Bremswirkung ist dann bei all
meinen 5-raedrigen Rollschuhen etwas HOEHER als bei meinen vierraedrigen
Rollschuhen obwohl ich bei denen ja immerhin auch schon doppelte
Fersenbremsen verwende.

Nach meiner Erfahrung ist die gleichzeitige Verwendung von doppelten
Bremskloetzen und doppelten Bremsschnueren bei fuenfraedrigen
Rollschuhen EINFACHER als die Verwendung eines einzelnen Bremsklotzes
ohne Bremsschnuere an einem fuenfraedrigen Inlinerollschuh.

Der Nachteil der Bremsschnuere liegt darin, dass man sie nicht fertig
kaufen kann und sie deshalb selber anfertigen muss. Ausserdem benoetigt
man als Voraussetzung zwei Fersenbremsen, die fuer 5-raedrige Rollschuhe
manchmal schwierig zu beschaffen sind. Das Anziehen der Rollschuhe
dauert auch etwas laenger.

Man muss sich auch ueberlegen, wie man die Bremsschnuere und die
Handgriffe durch Verwendung von Velcro und zusaetzlichen elastischen
Schnueren so am Bein und Rollschuh befestigt, dass sie nicht
herumschlackern, wenn man gerade mal nicht bremst. Mir gelang es schon
vor langem, diese Detailprobleme zufriedenstellend zu loesen. Ich habe
deshalb seit mehreren Jahren keine konstruktiven Aenderungen an meinen
Bremsschnueren mehr vornehmen muessen. Bei Interesse kann ich gerne
weitere Fragen zu den Details beantworten.

Uwe Brockmann, uwe@netcom.com

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Uwe Brockmann, uwe@pobox.com, http://www.panix.com/~uwe/brakelev/